DIE KOMPLETTVERÄNDERUNG DES BOSTON 10

 

Mit der brandneuen Adidas Adizero Produktlinie bringt der Hersteller aus Herzogenaurach gleich vier neue Modelle auf den Markt: Adios 6, Boston 10, Adizero Adios pro II und Adizero X. Alle vier neuen Modelle verbindet das innovative Dämpfungsmaterial Lightstrike Pro. Ich durfte bereits vor dem offiziellen Verkaufsstart den neuen Boston 10 testen. Wie sich das neue Modell im Praxistest schlägt und wo seine Stärken und Schwächen liegen, erfahrt ihr in diesem Testbericht. Shop4runners hat mir den Schuh zur Verfügung gestellt, sodass ich diesen unabhängig von etwaigen Herstellerinteressen testen konnte.

 

Kein Vergleich zum Vorgängermodell


Während in einigen Foren und Youtube-Videos noch über die neue Adidas Adizero Produktlinie philosophiert wird, habe ich bereits ein exklusives Probeexemplar des Boston 10 erhalten. Mein erster Gedanke beim Anblick des neuen Modells war: „Was ist bloß mit dem Adidas Boston passiert?“ Für mich war der Boston in der Vergangenheit ein klassischer, flacher, schneller und direkter Tempotrainingsschuh. Das neue Modell greift unterdessen den derzeitigen Laufschuhtrend auf und setzt auf zusätzliches Dämpfungsmaterial in der Mittelsohle. Sinnbildlich dafür sticht beim ersten Anblick die Fersenhöhe deutlich heraus.

 

 

Man könnte gar so weit gehen und von einem kompletten Redesign sprechen. Dabei wäre es durchaus eine Option gewesen, das neue Modell mit einem alternativen Produktnamen zu versehen, da die Unterschiede einfach elementar sind: neue Zusammensetzung der Schaumstoffe, verändertes Obermaterial, Ergänzung um eine Carbonplatte (Carbon-Stifte) und Überarbeitung der Außensohle.

 

Die Ausstattung stimmt


Adidas setzt bei dem neuen Boston 10 förmlich alles auf eine Karte und packt jegliche Technologie in den Schuh: Lightstrike, Lightstrike Pro, Carbonplatte und Energyrods. Die beiden unterschiedlichen Schaumstoff-Materialien sorgen für eine gewisse Leichtigkeit, Energierückgabe und Langlebigkeit. Während Lighstrike für Leichtigkeit und Langlebigkeit steht, ist das Lightstrike Pro Material voll und ganz auf Reaktivität ausgelegt. Die zusätzliche Carbonschicht unterstützt den Vortrieb über den Mittel- bzw. Vorfuß abzurollen.

Beim Laufen äußert sich die neuartige Kombination der Schaumstoffmaterialien in einer energieeffizienten Abrollbewegung, da die Kraft beim Abrollen über den Mittel- bzw. Vorfuß sehr gut übertragen wird. Gleichzeitig vermittelt der Schuh durch die Energyrods (fünf zehenförmig verlaufende Carbon-Stifte ab der Mittelsohle) eine gewisse Steifheit, die das reaktive Laufgefühl unterstützt.

Der Boston 10 ist für einen Tempotrainings-/Wettkampfschuh typischerweise eher schmal im Mittel- und Vorfußbereich geschnitten. Dieses Tragegefühl wird durch das enganliegende und wenig flexible Mesh-Obermaterial sowie die angenähte Schuhlasche bestärkt. Die Schnürung auf dem Mittelfuß verläuft gradlinig.

Technologie hin oder her: Bringt der Boston 10 seine PS auch auf die Straße? Das kann ich mit einem klaren „JA“ beantworten. Beim Abrollen ist das reaktive Laufgefühl jederzeit zu spüren und es besteht die Möglichkeit, dass man direkt ins „Rollen“ kommt. Insbesondere bei den ersten Kilometern ist eine gewisse Zurückhaltung unabdingbar, da ein Lauf schnell mal eskalieren kann und die Splitzeiten immer schneller werden. Dabei ist die Dämpfung im Vergleich zu den Wettbewerbern etwas härter und steifer, aber keinesfalls unangenehm. Mich hat der Boston 10 als dynamischer und reaktiver Tempotrainingsschuh von Beginn an überzeugt.

Ich habe den Schuh primär bei gesteigerten Läufen, Tempodauerläufen und Intervallen auf Asphalt getragen. Auf alternativen Untergründen hatte ich dank der hervorragenden Continental-Sohle immer einen sehr guten Grip. Nach den ersten Einheiten waren keine Abnutzungserscheinungen zu erkennen. Die Sohle und der Grip sind nach wie vor einwandfrei, sodass ich die allgemeine Haltbarkeit des Modells als normal einschätze und zu einer Reichweite von mindestens 800 Kilometern tendiere.

 

 

Bevorzugte Zielgruppe


Die bevorzugten Trainingseinheiten des Boston 10 sind auf Tempo und Schnelligkeit ausgelegt. Die innovativen Dämpfungseigenschaften im Zusammenspiel mit der Carbonplatte sind ein Beleg dafür. Mittel- und Vorfußläufer freuen sich über ein reaktives Laufgefühl und eine fortwährende Energierückgabe beim Abrollen. Fahrtspiele, Intervalle, Tempodauerläufe und gesteigerte Dauerläufe sind das Kerngebiet des Boston 10. Insbesondere bei langen, gesteigerten Läufen in der Marathonvorbereitung kann der Boston 10 am Ende, wenn es Richtung Racepace geht, seine Vorzüge ausspielen und hilft die Ermüdung hinauszuzögern. Auch im Wettkampf ist der Boston 10 durchaus eine Alternative. Bei Straßenläufen ab zehn Kilometern bis hin zum Marathon sehe ich sein bevorzugtes Einsatzgebiet.

Als Einstieg in das Carbon-Laufschuhgeschäft würde ich das Modell primär geübten und ambitionierten leichten bis mittelschweren Läufern empfehlen. Für Laufanfänger sowie Läufer, die einen Schuh für Dauerläufe suchen, ist das Modell nicht geeignet. Genauso wenig für Läufer, die Probleme mit schmalgeschnittenem Schuhwerk haben. Die Continental-Sohle überzeugt mit einer optimalen Traktion auf verschiedensten Untergründen und bei jeglichen Wetterbedingungen. Dennoch ist und bleibt die Asphaltpiste die beste Wahl.

 

Einordnung in die Adidas-Familie und potentielle Alternativen


Mit der neuen Adizero Produktlinie möchte der Hersteller aus Herzogenaurach neue Maßstäbe setzen. Ähnlich wie es Saucony mit seiner Endorphinreihe vorgemacht hat, entwickelt Adidas nun ebenfalls aufeinander abgestimmte Modelle. Während der Adios 6 der zentrale Tempotrainingsschuh für schnelle, kurze Intervalleinheiten (u.a. geeignet für die Tartanbahn im Leichtathletikstadion) ist, eignet sich der Boston 10 für längere Intervalleinheiten und Tempodauerläufe. Für den ultimativen Boost im Wettkampf sorgt das Prunkstück der Adidas Adizero Adios Pro, welcher mit einer durchgängigen Ligtstrike Pro Schicht ausgestattet ist. Für die lockeren Tage kann auf den Adidas Ultraboost 21 zurückgegriffen werden.

Ein Vergleich zum Vorgänger macht hier keinen Sinn, da der Boston 10 in allen Bereichen grundlegend überarbeitet wurde. Wie bereits erwähnt, ist der Saucony Endorphin Speed als Alternative einen Blick wert. Zwar setzt der Speed nur auf eine reaktive Nylonplatte, hat aber einen vergleichbaren Vortrieb. Das Mesh-Obermaterial des Sauconys ist hingegen deutlich flexibler und atmungsfähiger. Auch auf der Waage ist der Speed deutlich leichter. Dafür überzeugt der Adidas mit dem besseren Abdruck dank der Continental-Sohle und ist am Ende sogar um 30 Euro günstiger.

Aus dem Hause Nike sind der Nike Zoom Fly 3 als Ableger des ZoomX Vaporfly Next% oder auch der Nike Air Zoom Tempo NEXT% als Ableger des Nike Air Zoom Alphafly NEXT% weitere Alternativen. Beide Modelle sind sehr reaktionsfreudig und verfügen dank der individuellen Dämpfungstechnologie über eine sehr gute Energierückgabe. Auch hier punkten beide Modelle mit dem etwas angenehmeren Obermaterial und reduzierterem Gewicht im Vergleich zum Boston 10, der aber wiederum im Preis und bei der Sohlenkonstruktion nicht zu schlagen ist.

 

Der Adidas Boston 10 im Detail


Der Adidas Boston 10 ist ein neutraler Tempotrainings-/Wettkampfschuh und prädestiniert, um viele schnelle Trainingskilometer abzuspulen. Die Kombination aus dem bekannten Lightstrike Material mit dem innovativen Lightstrike Pro in der Mittelsohle garantiert eine gute Dämpfung und Rückkopplung beim Laufen.

Der für mich einzige Kritikpunkt ist das erstaunlich hohe Gewicht für einen Tempotrainings-/Wettkampfschuh. In Schuhgröße 42,5 (US9) bringt der Boston 10 erstaunliche 308 Gramm auf die Waage. Hier besteht für eine zukünftige Version noch deutlich Verbesserungspotential. Wobei die zusätzlichen Gramm beim Laufen nicht spürbar sind. Das spricht wiederum für eine gute und reaktive Kraftübertragung beim Abrollen. Im Vergleich dazu wiegt der Adidas Adizero Adios Pro nur 225 Gramm. Die Sprengung des Boston 10 beträgt 8 Millimeter bei einer Rückfußhöhe von 39 Millimetern und einer Vorfußhöhe von 31 Millimetern.

Eines der Prunkstücke bei den Adidas-Modellen ist die allseits beliebte Continental-Sohle, die auch wieder zweifelsohne für eine optimale Traktion, insbesondere auf Asphalt, sorgt. Auch auf glatten, nassen Straßen sind Halt und Abdruck vortrefflich. Die querverlaufenden Gummistreben werden im Vorfußbereich von fünf weiteren längsverlaufenden Gummistreben ergänzt.

Das leichte Obermaterial ist im Mittelfußbereich sehr dünn, nahezu transparent. Der Vorfußbereich wird mit einer zusätzlichen, abgerundeten Textilschicht verstärkt. Für mich persönlich dürfte das Obermaterial noch etwas atmungsaktiver und flexibler sein. Die abgerundete Textilschicht im Vorfußbereich ist mir ein wenig zu steif. Hervorzuheben ist dafür das Detail, dass 50 Prozent des Obermaterials aus recyceltem Materialien besteht (Primegreen). Hier geht Adidas auf die zunehmende Relevanz von Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette ein. Sehr vorbildlich.

Die Schnürung verläuft gradlinig über dem Mittelfuß. Die integrierte Schuhlasche ist an den Seitenteilen im Schuh vernäht. Die Innensohle ist herausnehmbar und kann durch eine orthopädische Einlage ersetzt werden. Der Fersenbereich ist im oberen Bereich mit einer durchgängigen, angenehmen Polsterschicht bestückt – keine Druckpunkte. Der zugespitzt verlaufende Vorfußbereich ist für einen Tempotrainings-/Wettkampfschuh normal eng geschnitten. Mit einem Preisanstieg von 10 Euro im Vergleich zum Vorgängermodell ist der Boston 10 nun mit 150 Euro gelistet. Für einen Tempotrainings-/Wettkampfschuh ist der Preis mittlerweile marktgerecht.

Bei der Größenauswahl habe ich auf meine Standardgröße zurückgegriffen – passt. Zum Verkaufsstart gibt es den Boston vorerst nur in der Olympiavariante für Tokio: Cloud White / Core Black / Solar Red. Also eine weiße Basis mit roten Farbhighlights und den schwarzen Adidas-Streifen an den Seiten. Ob die exklusive, graue Farbe meines Testmodells auch noch auf den Markt kommt, kann ich nicht sagen. Ich gehe davon aus, dass mit zunehmender Dauer weitere Farbvariationen hinzukommen werden. In Amerika gibt es bereits eine Sonderedition von Tinman Elite, bei der die rote Farbe durch Gold ersetzt wird und innen das Tinman-Logo abgebildet ist.

 

 

Der Adidas Boston 10 im Detail:


Preis
150,00 EUR UVP

Gewicht
308g (Größe EU 42,5)


Sprengung
8mm


Schuhweite
normal


Schuhart
neutral


Laufuntergrund
Asphalt


Einsatzgebiet
Tempotrainings-/Wettkampfschuh
 

 


Fazit


Adidas erfindet sein Erfolgsmodell neu und setzt beim Boston 10 auf eine Mittelsohlen-Kombination aus dem bekannten Lightstrike Material mit dem innovativen Lightstrike Pro. Ergänzt um eine Carbonplatte (u.a. fünf zehenförmig verlaufende Carbon-Stifte) orientiert sich der Schuh am aktuellen Laufschuhtrend und setzt voll auf Dämpfung und Energierückgabe. Dabei ist der Boston ein idealer Begleiter für zügige, gesteigerte Dauer-/Tempoläufe oder auch schnelle Intervalleinheiten auf dem Asphalt. Als Ableger des Adidas Adizero Adios Pro eignet sich der Boston 10 als perfektes Arbeitstier in der Marathonvorbereitung zum Kilometer sammeln. Dank der Continental-Sohle ist der Grip hervorragend.

Lediglich auf der Waage und bei der Flexibilität des Obermaterials besteht noch Optimierungspotential. Wer nach wie vor von den klassischen Eigenschaften des Boston als flacher, schneller und direkter Tempotrainingsschuh überzeugt ist, sollte sich noch ein Vorgängermodell sichern. Allen anderen empfehle ich, dem neuen dynamischen und reaktiven Boston 10 eine Chance zu geben. Er hat definitiv das Potential, ein treuer und verlässlicher Weggefährte im Trainingsalltag zu werden.