Hoka Tecton X Testbericht

 

Kurz-Version: Kaufen! Der TECTON X ist der „absolute Hammer!“

Wer sich etwas mehr Zeit nehmen möchte, um insbesondere zu erfahren, was den Hoka TECTON X (TX) auszeichnet, wo seine Stärken liegen, wo er besonders überrascht und in welchen Bereichen man etwas aufpassen muss, der sollte sich auf jeden Fall den kompletten Testbericht durchlesen.

 

TEKTONIK – Definition (nach τεκτονικός )

... bezeichnet den Aufbau der Erdkruste und die geodynamischen Bewegungen selbst, insbesondere die Verschiebung der Kontinentalplatten und ihre Auswirkungen (sog. Plattentektonik).

So gesehen ist der Name des neuen Carbon-Trailschuhs von HOKA Programm…

>>> „T E C T O N“

Hier die korrespondierende und durchaus selbstbewusste „Statement“ des Herstellers:

„Der neue Tecton X wurde nach den tektonischen Platten unseres Planeten benannt, die sein paralleles Carbonfaserplatten-Design inspiriert haben – eine Veränderung, die die Trailrunning-Welt erschüttern wird!“ Nach einer solchen „Ansage“ wartete ich bereits ungeduldig auf den Release des Hoka Tecton X, um diesen Innovationsträger an meine Füße schnüren und ausgiebig testen zu können.

Shop4runners hat mir den TECTON X zur Verfügung gestellt, so dass ich ihn unabhängig von etwaigen Hersteller-Interessen testen konnte.

 

 

OPTIK, VERARBEITUNG & PREIS:

Der Hoka Tecton X ist optisch absolut gelungen. Mit seinem flammenartigen orange-gelben Upper (das Colorway nennt sich: PERSIMMON ORANGE / RADIANT YELLOW) fällt er jedem Betrachter auf.

Gerade in der aktuellen Sommerzeit macht diese Farbe quasi doppelt Laune! Natürlich ist auch die Verarbeitung erstklassig. Es gibt keine Klebereste oder unsaubere Nähte. Auch der gewählte Materialmix ist hochwertig. So soll es sein! Für eine UVP von 210€ kann und muss man dies jedoch auch erwarten!

 

PASSFORM, UPPER & Atmungsaktivität:

Der TX auf einer relativ breiten Basis (Leisten) aufgebaut. Auch die Zehenbox bietet ausreichend Platz. Die Schnürlöcher sind extrem weit nach vorne positioniert (quasi mit einem Extra-Schnürloch). Besonders positiv aufgefallen ist mir, dass ich mit meinen relativ schmalen Füßen auch einen sehr guten Lock-In im Bereich des Spanns herstellen konnte, ohne den Schuh extrem eng schnüren zu müssen.

Demzufolge entstehen im Übergang von Schnürung und Vorfußbereich auch keine Falten! Ebenso vorhanden ist ein Schnürloch für eine noch bessere Anpassung des Schuhs an den Fuß (sog. Marathon-Schnürung). Bei mir reichte jedoch eine normale Schnürung aus, zumal auch der Fersenbereich sehr ordentlich gepolstert (und nur leicht verstärkt) ist und einen sehr guten Halt gewährleistet. Insgesamt ist die Passform sehr gelungen und dürfte auch für mittel-/breite Füße sehr gut geeignet sein. Die Atmungsaktivität des einlagigen Jacquard-Mesh ist sehr gut. Dieses lässt die Luft gut zirkulieren und sorgt für ein angenehmes „Fuß-Klima“.

 

 

TECHNISCHE DATEN:

Der Tecton X wiegt in US 12,5 (47 1/3) erstaunlich niedrige 297g.

Er gehört somit zu den leichten Trail Schuhen.
In Anbetracht seiner voluminösen Mittelsohle (inkl. Carbonplatten) ist dies sogar ein sehr guter Wert. Er unterbietet sogar die Race-Version des Speedgoat („EVO“) um ca.10 g. Natürlich ist er etwas schwerer als der Zinal (ca. 287g), bietet jedoch wesentlich mehr Mittelsohlenvolumen und implementierte Technik  (Carbon Platten - siehe unten). Die Stapelhöhe beträgt beim Herren Modell 33/29mm (Damenmodell 31/27 mm), was eine Sprengung von 4mm ergibt (Hoka selbst gibt aber 5mm an…). Besonders interessant ist auch, dass das Mittelsohlen-Volumen sogar das des neuen Speedgoat 5 überbietet.

Das Volumen der Mittelsohle beträgt in der Standard-Größe 701cm³, der Ground-Offset (quasi „Aufbiegung vorne und hinten) 36x26mm (Speedgoat5:  651cm³,  und 35X21mm). Gerade diese beiden Werte vermitteln eindrucksvoll, welches Dämpfungsverhalten ein Schuh an den Tag zu legen vermag und wie aggressiv der implementierte ROCKER (dazu unten mehr) den Abrollvorgang unterstützt.

 

TECHNISCHE HIGHLIGHTS:

ProFly™ (X):

Wie bereits bei anderen Modellen, verwendet Hoka auch beim Tecton X die bewährte ProFly-Mittelsohlen-Konstruktion. Diese besteht aus einem sehr soften oberen Mittelsohlen-Schaum, einer darunter liegenden „doppelten“ Carbon-Platte (deswegen auch ProFly „X“) und dem etwas festeren unteren Mittelsohlen-Schaum.

 

DUAL CARBON PLATE:

Eine absolute Innovation und Alleinstellungsmerkmal des Tecton X sind „doppelten Carbon-Platten“. Diese verlaufen parallel nebeneinander - medial und lateral vom Rückfuß bis zu den Zehen, wobei die innere Platte vorne quasi den großen Zehen „abbildet“ und etwas verstärkt zu sein scheint. Diese Konstruktion soll insbesondere ein Verschieben der beiden Platten und mithin auch der Mittelsohle gewährleisten.

Somit soll eine optimale Anpassung derselben an unebene Untergründe gewährleistet und ein besseres Bodengefühl und Grip vermitteln werden. Ebenso stabilisiert die Carbon-Platte die Mittelsohle und verstärkt den Abrollvorgang.

 

(„Supercritical“ ?) CMEVA:

Im Tecton X verwendet Hoka laut Aussagen einiger Blogger auch einen sogenannten „supercritical EVA“.

Bei dieser Verarbeitungsweise wird dem EVA ein Gas (meist Nitrogen per Infusion) zugeführt, welches durch eine sog. „Bläschenbildung“ einen extrem leichten und weichen EVA erzeugen kann, der zum einen auch eine besonders hohe Dämpfung, aber auch gesteigerten Energy-Return bietet.

Konkret: Die obere Mittelsohlen-Schicht ist hierbei aus einem besonders soften EVA (Komfort-Maximierung), der „Base-Layer“ hingegen aus dem oben genannten „supercritical EVA“, welcher eine hohe Responsivität bieten soll. Optisch kann ich zumindest bestätigen, dass der untere (orange) Mittelsohlen-Schaum eine „Micro-Bläschen-Struktur“ aufweist, was – zusammen mit der Mittelsohlen-Performance – auf einen „Infused-EVA“ hindeutet.

 

EARLY META ROCKER:

„Hoka-typisch“ besitzt auch Tecton X eine Rocker-Konstruktion, bei welcher Vor- und Rückfußbereich der Mittelsohle quasi aufgebogen sind. Diese Aufbiegung im Vorfußbereich beginnt VOR den sog. Metatarsal-Knochen (also „EARLY“) und leitet den Abrollvorgang somit spürbar und recht „früh“ ein.

Weitere Informationen zu den HOKA-ROCKER Varianten findest du in der Bildergalerie.

 

VIBRAM® MEGAGRIP Außensohle / LITEBASE:

Wie schon beim ZINAL verwendet Hoka auch beim Tecton X auf die bewährte Vibram Megagrip-Außensohle in der LiteBase-Version. Hier haben die Stollen eine Tiefe von „lediglich“ 4 mm. Diese sind so konstruiert, dass sie trotz geringerer „Bauhöhe“ einen sehr guten Grip vermitteln können.

Anders als beim ZINAL ist die LiteBase Außensohle beim TX nicht segmentiert sondern skelettiert, um Gewicht einzusparen.

 

GHILLIE-Schnürung:

Ebenfalls neu wurde eine sogenannte Ghillie-Laschen-Schnürung implementiert: Bei dieser sind im oberen Schnür-Bereich zwei Schnürlöcher durch Laschen ersetzt worden, die eine noch etwas besserer Anpassung des Schuhs gewährleisten sollen.

 

GRIP:

Auch beim Tecton X kann die Megagrip-Sohle auf ganzer Linie überzeugen! Sie vermittelt selbst auf Asphalt, natürlich auch auf sandigen oder felsigen Untergründen und im Matsch einen sehr guten GRIP.

Sie kommt „bauartbedingt“ (nur) dann an ihre Grenzen, wenn es sich um tiefen Matsch oder nasse Wurzeln oder nass-glatten Felsen handelt. Dann „schwächeln“ aber fast alle mir bekannten Außensohlen.

Meiner Meinung nach ist die Litebase (Megagrip) -Sohle ein sehr guter Kompromiss! Insbesondere merkt man, dass die gesamte Mittelsohlenkonstruktion sehr gut „mitarbeiten“ kann und trotz der implementierten Carbon-Platten einen sehr guten Bodenkontakt und eine „Verbiegung“ der medialen und lateralen „Hälften“ gegeneinander ermöglicht.

Hier ist Tektonik quasi Programm!

 

 PROTEKTION:

Auch in Sachen Durchschlagschutz kann der Tecton X seine Stärken zeigen. Aufgrund der voluminösen Mittelsohlenkonstruktion und Bauhöhe von circa 30mm, sowie der implementierten Carbon-Platten, können Steine kaum durchschlagen. Der Fuß ist jederzeit gut vor „Schlägen“ von unten geschützt.

Natürlich könnte man auch die Flanken und den Zehenbereich stärker protektieren, jedoch geht dies meist zulasten der Laufdynamik und der Lauffreude. Hier reicht für mich auch die gummierte Zehenverstärkung aus. Für extrem harte, alpine Ultratrails kann es jedoch sinnvoll sein, auf einem extrem protektiven Trail-Schuh zurückzugreifen… Dies sind aber eher seltene „Sonderfälle“…

Für mich bietet der Tecton X einen völlig ausreichenden Schutz!

 

 

HALTBARKEIT:

Aufgrund des kurzen Testzeitraums kann ich keine Aussagen zur Haltbarkeit machen. Jedoch kann ich aus der Erfahrung mit dem ZINAL sagen, dass die (ähnliche) Mittelsohlenkonstruktion und auch die Außen-Sohle des TX für sicherlich mehr als 500km gut sein dürfte. Natürlich immer in Abhängigkeit vom Laufstil, Untergrund … Wenn ich weitere Erfahrungen gesammelt habe und es Auffälligkeiten gibt, reiche ich entsprechende Informationen mit einer Ergänzung nach.

 

LAUFDYNAMIK & DÄMPFUNG:

Der Hoka TECTON X geht ab wie eine Rakete! Ich habe mir noch keinen Trail-Schuh an den Fuß schnüren können, der eine auch nur annähernd vergleichbare Dynamik bietet! Natürlich gibt es Schuhe die deutlich leichter sind. Ebenso gibt es Schuhe die mehr gedämpft sind. Aber der Tecton X verbindet eine sehr angenehme, hohe Dämpfung mit einer für Trail-Schuhe formidablen Dynamik, welche aus der gelungenen ProFly-Mittelsohlenkonstruktion, den implementierten „Double Plates“ und dem sehr guten Meta Rocker herrührt. Durch die tolle MegaGrip-Sohle kann der TX diese Dynamik auch sehr gut „auf den Trail bringen“! Man hat jederzeit das Gefühl der vollen Kontrolle und kann insbesondere auf „Wald-Autobahnen“ und flowigen Trails mit Höchsttempo die Natur genießen. Er ist zwar etwas breiter gebaut, vermittelt aber dennoch eine sehr gute „Ground Control“ und bietet sowohl auf technischen Trails und schnellen Downhills genug Grip, Dämpfung, Protektion und Stabilität. Ich ertappte mich sogar, dass ich hier und da Asphalt-Strecken mit in meine Läufe eingebunden habe, um auch einen Vergleich zu den Carbon-Straßenschuhen machen zu können.

Und auch hier braucht sich der Tecton X wahrlich nicht zu verstecken! Für mich „funktioniert“ er „on Road“ sogar besser als der kürzlich getestete Carbon X3 von Hoka! Seine Mittelsohlen-Konstruktion spricht mich persönlich mehr an. Zwar ist die Carbon-Platte beim Carbon X3 etwas steifer, aber die Mittelsohlen-Schäume vermitteln nicht die Dämpfung und den Energy-Return des Tecton X! Selbst auf Long-Runs hatte ich jederzeit das Gefühl, einen tollen Grip, hervorragenden Komfort und eine exzellente Dynamik genießen zu können.

Meiner Meinung nach kann man den Tecton X auf sämtlichen Streckenlängen auch auf Ultra-Trails über 50-60km einsetzen. Hier sollte man die individuelle Langstreckentauglichkeit aber immer vorab testen, denn selbige kann je nach Läufer-Typ variieren. Seine Grenze findet er höchstens im hochalpinen Bereich, oder bei extrem ausgesetzten Trails, wo eventuell (noch) mehr Produktion von Nöten ist. Ebenso gibt es natürlich auch wesentlich flacher gebaute, minimalistischere Trailrunning-Schuhe, deren Bodenkontakt noch einmal höher ist. Freunde von direkteren und flacheren Schuhen werden dann sicherlich eher auf den Hoka ZINAL zurückgreifen.

 

Tipp1:

Bei Ultra-Trails bietet es sich an, den Tecton X für die erste Hälfte oder für den finalen Endspurt einzusetzen, da man oft sogenannte Dropbags nutzen kann und somit in Abhängigkeit vom Strecken-Profil den TX entweder am Anfang nutzen kann, oder ihn in einem Dropbag für einen „Endspurt“ zurücklegen kann.

 

Tipp 2:

Auch für Triathlet*innen und andere Multisportler*innen ist der Tecton X meiner Meinung nach extrem gut geeignet und besitzt aufgrund seiner Vielseitigkeit und insbesondere Trail-Affinität quasi ein Alleinstellungsmerkmal!

Sofern man an X-Terra, Cross-Duathlon oder X-Triathlon-Wettkämpfen teilnehmen möchte, bietet sich der Tecton X wunderbar als Wettkampfschuh an, da dieser genug Dämpfung, Dynamik und auch „Leichtigkeit“ und den nötigen Grip mitbringt.
Ebenso verfügt er über eine vernähte Zunge, die nicht verrutschen kann.
Man muss nur noch einen Schnellschnür-System (sog. Laces) nachrüsten.

 

 

KONKURRENZ-VERGLEICH:

Aktuell gibt es nur wenige Trailrunning-Schuhe, die eine Carbonplatte besitzen. Der von mir getestete The Northface FLIGHT VECTIV kann in Sachen Dämpfung, und Dynamik nicht mithalten. Seine Stärken liegen eher in der Robustheit, Haltbarkeit und Einsatz auf „härteren“ Strecken.

 

ALTERNATIVEN des HERSTELLERS:

HOKA bietet insbesondere mit dem ZINAL einen sehr interessanten Alternativschuh (ohne Carbon-Platte) an. Dieser ist noch einmal geringfügig leichter (ca. 287g), die Mittelzonen-Konstruktion ist minimalistischer und flacher ausgeführt. Der Zinal punktet mit einem tollen, direkten Bodenkontakt und vergleichbarem Grip. Natürlich kontert der Tecton X mit einer deutlich höheren Dämpfung, Protektion und vor allem einer wesentlich höheren Dynamik. Auf der anderen Seite ist der ZINAL deutlich günstiger.

Hier der Link zum Testbericht des ZINAL

Der neue SPEEDGOAT 5 (SG5) bietet für eine UVP von circa 160€ eine wohl (!) ähnlich gute Dämpfung, aber einen etwas höheren GRIP, aufgrund der etwas tieferen Stollen der implementierten Megagrip-Sohle („Fullbase“). Er ist jedoch circa 20-30 g schwerer als der Tecton X.
Der SG5 wird insbesondere in Sachen Dynamik dem Tecton X nicht das „Wasser reichen können“.

 

AUSBLICK:

Nachdem ich vor Kurzem ( siehe Testbericht zum neuen Carbon X3 ) den Wunsch geäußert hatte, Hoka möge die Mittelsohlen doch (endlich)  mit responsiveren Mittelsohlenschäumen ausstatten, wurde dieser Wunsch beim Tecton X bereits „erhört“.

Seit ein paar Tagen kursieren in „Social Media“ auch erste Pics von einem neuen HOKA ROCKET X2 – der, neben der Carbon-Platte, sogar eine PEBA-Mittelsohle bekommen soll.

Man darf gespannt sein. Hoka ist auf einem sehr guten Weg in der Weiterentwicklung seiner Carbon-Laufschuhe.

 

 

GESAMTFAZIT:

Mit dem TECTON X gelingt Hoka ein Meisterstück! Er ist der erste Hersteller, dem es gelingt, Komfort, Dynamik, Grip, Fit, Protektion und „Lauf-Spaß“ auf höchstem Niveau zu vereinen.

Zugegeben ist er mit einer UVP von 210 € nicht gerade billig, er bietet jedoch eine überragende Gesamtperformance! Er kommt lediglich bei extremen Matsch an seine Grenzen.

Die Litebase-Sohle vermittelt insgesamt aber einen sehr guten Grip. Die implementierten Carbon-Platten können sich gegeneinander verschieben und somit einen besseren Bodenkontakt auf anspruchsvollem Gelände herstellen. Auch die Protektion ist auf hohen Niveau. Die Dynamik erreicht durch die ProFly-Mittelsohlen-Konstruktion mit zwei unterschiedlich harten EVA-Schäumen und der parallelen Carbon-Platten absolute Bestwerte für Trail-Schuhe. Der Abrollvorgang wird hierbei angenehm progressiv durch den META (EARLY) Rocker unterstützt. Alles in allem ist der Tecton X für mich eine nochmalige Steigerung zum bereits hervorragend getesteten ZINAL. Wenn man so will ist der TECTON X ein ZINAL „mit Protektion & Turbo“, ein SPEEDGOAT mit Extra-Push und ein CARBON X mit MegaGrip!

 

Fotos: Hoka und eigene